Litauen

  • Königlich polnische Post

  • Kaiserlich russische Post

  • Deutsche Besetzung / Ob. Ost

  • Unabhängige Republik Litauen

  • Mittellitauen

  • Memelgebiet / Klaipėda

    Zeitgeschichte

    Das Memelgebiet entstand im Zuge der Neuordnung Ostmitteleuropas nach dem Ersten Weltkrieg. Gemäß Artikel 99 des Versailler Vertrages trat das Deutsche Reich das Memelgebiet am 10. Januar 1920 an die alliierten Mächte, die sogenannte Entente, ab. Frankreich als Vertreter der Entente übernahm am 15. Februar 1920 die Mandatsverwaltung.

    Karte des Memelgebietes mit deutschsprachigen Ortsnamen

    Karte des Memelgebietes

    mit deutschsprachigen Ortsnamen
    Quelle: Stempelhandbuch von Tobias Huylmans

    Litauische Freischärler nutzten die zeitgleiche Ruhrbesetzung, um am dritten Jahrestag der Mandatsverwaltung, dem 10. Januar 1923, das Memelgebiet rechtswidrig zu besetzen. Die Pariser Botschafterkonferenz der Entente sanktionierte die Besetzung nachtäglich am 16. Februar 1923 unter der Bedingung einer autonomen Verwaltung des Memelgebiets als Einheit.

    Mit Unterzeichnung der Konvention über das Memelgebiet samt Memelstatut und deren Ratifizierung durch das litauische Parlament am 8. Mai 1924 wurde das Memelgebiet als Einheit völkerrechtlich Teil des litauischen Staatsgebietes, behielt jedoch eine Reihe von Autonomierechten.

    Notgeld der Stadt Tilsit vom November 1921 mit schöner Illustration der Situation im Memelländer Grenzgebiet

    Notgeld der Stadt Tilsit vom November 1921 mit schöner Illustration der Situation im Memelländer Grenzgebiet

    Einem deutschen Ultimatum folgend, trat Litauen das Memelgebiet am 22. März 1939 an das Deutsche Reich ab, in dessen Staatsverbund es faktisch bis 1944/45 verblieb, bevor erste Teile ab Oktober 1944 zunächst evakuiert wurden und mit dem Fall der Festung Memel am 27. Januar 1945 das gesamte Memelgebiet dann in sowjetische Hände fiel. Ab Januar 1945 bildete das vormalige Memelgebiet einen Teil der Litauischen Sozialistischen Sowjetrepublik, seit 1991 gehört es wieder zur Republik Litauen.


    Postgeschichte

    Bis zur Ausgabe eigener Marken am 7. Juli 1920 fanden Marken des Deutschen Reiches Verwendung, die danach noch bis zum 20. Juli 1920 aufgebraucht werden konnten. Die französische Mandatsverwaltung bildete noch im Februar 1920 die Landespostdirektion Memel, welche die postalischen Bestimmungen einschließlich Porti der Deutschen Reichspost weiter in Kraft ließ.

    Poststück mit reichsdeutscher Frankatur

    Poststück mit deutscher Frankatur vom März 1920

    In Litauen wurde im Oktober 1922 eine eigene Währung eingeführt, der Litas zu 100 Cent. Der Litas war an den Goldstandard gebunden im Verhältnis 10:1 zum US-Dollar.

    Auch nach der militärischen Besetzung des Memelgebietes durch litauische Freischärler am 10. Januar 1923 und der Unterstellung der Landespostdirektion Memel unter das litauische Verkehrsministerium galten die Bestimmungen der Deutschen Reichspost zunächst bis zum 15. April 1923 fort, bevor ab dem Folgetag sämtliche postalischen Dienstleistungen in Litas zu entrichten waren.

    Marke oder Poststück in Litas-Währung

    Poststück in Litas-Währung

    Marke oder Poststück in Währungsmischfrankatur Mark / Litas

    Poststück in Währungsmischfrankatur Mark / Litas

    Nach Einführung der litauischen Währung Litas am 16. April 1923 im Memelgebiet konnten die Marken des Memelgebietes in Markwährung noch bis zum 31. März 1923 (Mi Nrn. 1–120 der französischen Mandatsverwaltung) bzw. bis zum 9. Juni 1923 (Mi Nrn. 121–166 der litauischen Verwaltung) weiter verwendet werden. Um bei Frankaturen in Markwährung die korrekten litauischen Postgebühren in Litas zu ermitteln, errechnete die Deutsche Reichsbank den Tageskurs Mark : Litas in einem hochkomplizierten Verfahren, bei dem ebenfalls der US-Dollar als Referenzwährung diente.

    Dieses Verfahren führte zu einer heillosen Überforderung aller Beteiligten, so dass im Zeitraum 16. April – 9. Juni 1923 oftmals keine korrekten Porti errechnet und verwendet wurden. Die gesamte Währungsumstellung geschah überstürzt und ohne ausreichende Information der Betroffenen. Anschaulich beschreibt die Zeitung „Memeler Dampfboot“ vom 18. April 1923 die Lage:

    „Der neue Posttarif hat übrigens eine heillose Verwirrung angerichtet. … Der Schaden, der hierdurch dem memelländischen Wirtschaftsleben, das ganz auf den Verkehr mit dem Deutschen Reich eingestellt ist und seine geschäftlichen Verpflichtungen einhalten muss, zugefügt wird, steigt ins Unschätzbare, wenn nicht sofortige Abhilfe durch einen klaren, jedermann verständlichen Posttarif geschaffen wird. Da weiter der Lit noch nicht als Zahlungsmittel im Umlauf ist, muss der Memelländer mit Mark bezahlen. Die Folge ist, dass die Portosätze, in Mark ausgedrückt, sich jeden Tag ändern. Und zwar werden sie voraussichtlich jeden Tag höher werden, da der Dollar, nach dessen jeweiligen Stand der Lit seinen Wert wechselt, gegenwärtig eine steigende Tendenz zeigt. Alles in allem wird man den Eindruck nicht los, daß auch hier wieder eine ungenügend vorbereitete Maßnahme auf Biegen und Brechen zur Durchführung gebracht werden soll, die in dieser Art schweren Schaden verursacht. Auf viele Anfragen können wir nach Erkundigung an zuständiger Stelle mitteilen, dass die litauischen Memelmarken weiter Verwendung finden dürfen, nur muss eben der den Centsätzen entsprechende Markbetrag in diesen Briefmarken aufgeklebt werden. Die Umrechnung der Centsätze in Mark erfolgt zum jedesmaligen Tageskurs, über dessen Stand man sich vorher informieren muss.“


    Am 1. Oktober 1923 wurden in ganz Litauen einschließlich dem Memelgebiet neue Portogebühren eingeführt.


    Folgende Zeitabschnitte lassen sich zwischen 1920 und 1925 im Memelgebiet unterscheiden:

    Datum

    Währung

    Land

    Markenausgaben
    und -verwendungen

    15. Februar 1920
    bis 6. Juli 1920

    Markwährung

    Französische
    Mandatsverwaltung

    Verwendung Reichsdeutscher
    Marken (Vorläufer) bis 20. Juli 1920

    7. Juli 1920
    bis 15. April 1923

    Markwährung

    Französische
    Mandatsverwaltung

    Memelgebiet Mi Nr. 1-120
    (Marken gültig bis 31. März 1923)

    Markwährung

    Litauen
    (ab 10. Januar 1923)

    Memelgebiet Mi Nr. 121-166
    (Marken gültig bis 9. Juni 1923)

    16. April 1923
    bis 8. Mai 1924
    (ab 1. Oktober 1923
    neue, einheitliche Tarife
    für ganz Litauen)

    Litaswährung,
    Umrechnung der
    Markwährung
    zum Tageskurs

    Litauen

    Memelgebiet Mi Nr. 167-237
    (Marken gültig bis 31 . August 1925)

    ab 8. Mai 1924

    Litaswährung

    Litauen

    Verwendung von Marken
    der Republik Litauen
    ab Mi Nr. 138 (Litaswährung)

    Für Sendungen nach Estland und Lettland galten ab dem 16. April 1923 die litauischen Inlandsgebühren, für solche in das Deutsche Reich vorübergehend vom 16. April bis zum 31. Oktober 1923 Auslandsgebühren, danach wieder Inlandsgebühren.


    Erst das Inkrafttreten der Memelkonvention und des Memelstatuts am 8. Mai 1924 erlaubte die uneingeschränkte Verwendung litauischer Briefmarken. Bereits ab dem 5. August 1923 wurde zuvor bereits einseitig durch die litauische Verwaltung die Verwendung litauischer Marken erlaubt, so dass Mischfrankaturen dreier postalischer Gebiete möglich waren. (Quelle: Michel DEU Spezial 2015, S. 957).

    Brief von Memel nach Berlin vom 6 V 24

    Poststück vom 6 V 1924 aus Klaipėda / Memel nach Berlin mit Mischfrankatur Litauen / Memelgebiet (2 c Memelmarke, 3 c Überdruckprovisorium und 10 c Freimarke; 15 Cent litauische Inlandsgebühr.

    Litauische Marken mit Stempeldaten vor dem 8. Mai 1924 sind als Mitläufer zu betrachten.

    Gelegentlich kommen sie mit alten deutschen Stempeln aus kleinen Orten vor wie hier aus Jugnaten (Juknaiciai).

    Die Marken des Memelgebietes in Litaswährung (Michel Nrn. 167–237) behielten ihre postalische Gültigkeit bis zum 31. August 1925. Ab dem 1. Juni 1925 bis zur Rückgabe des Memelgebietes an das Deutsche Reich wurden ausschließlich litauische Marken an den Postschaltern verkauft.

    Poststück mit Memel-Litasfrankatur NACH dem 8.5.24

    Poststück vom 17.5.1924 aus Klaipėda / Memel mit noch gültiger Memel-Litasfrankatur

    Poststück mit Memel-Litasfrankatur NACH dem 8.5.24

    Poststück vom 11.7.1925 aus Klaipėda / Memel nurmehr mit rein litauischer Frankatur

    Von 1925 bis 1939 gab es im Memelgebiet als Teil Litauens nur litauische Marken (siehe Unabhängige Republik Litauen).


    Lokalausgabe "Memelland ist frei"

    Ab dem 22. März 1939 wurden von privater deutscher Seite litauische Marken Michel Nr. 425–428 mit dem Aufdruck einer Elchschaufel und dem dreizeiligen Text "Memelland ist frei" versehen im Vorraum des Hauptpostamtes Memel (also nicht über den Postschalter durch Beamte der Reichspost!) verkauft (Mi Nr. I-IV). Die deutsche Postverwaltung duldete deren Verkauf und die Frankatur bis zum 31. März 1939. Poststücke wurden nicht mit Nachporto belegt.

    Poststücke gibt es entweder mit dieser Aufdruckmarke allein oder auch in "Mischfrankatur" mit seinerzeit gültigen litauischen oder deutschen Marken:

    Ansichtskarte mit Lokalausgabe und deutscher Marke in Mischfrankatur vom 23.3.1939

    „Überall brausender Jubel“

    Ansichtskarte eines Zeitzeugen mit Lokalausgabe und deutscher Marke in "Mischfrankatur" vom 23. März 1939, dem Tag, an dem die deutsche Reichspost faktisch das Postwesen des Memelgebietes übernahm.

    Jede Marke für sich allein deckte das notwendige Porto ab. Die Postkarte erforderte als Inlandssendung eine Frankatur zu 6 Reichspfennig. Litauische Marken behielten unter der deutschen Verwaltung 1939 bis zum 31. März ihre Gültigkeit und wurden im Verhältnis 2,5:1 von Litas in Reichsmark umgerechnet. 15 Cent entsprachen also hier 6 Pfennig. Ab dem 1. April 1939 fanden ausschließlich deutsche Marken Verwendung.


    Literatur

    Die Veröffentlichungen zur Geschichte des Memelgebietes und seiner Marken sind aufgrund des großen Interesses zahlreich; hier eine kleine Auswahl ergiebiger Darstellungen:

    Baumgartner, Fred W.: From Memel to Klaipeda. In: LPS 219 (1995) S. 13––17

    Eberling, Serge: Memelgebiet. Les timbres du territoire de Memel sous l´administration française de 1920 à 1923. (Die Briefmarken des Memelgebietes unter französischer Verwaltung 1920 – 1923). Paris 2007

    Gerns, Kurt: Memel – Sammelgebiet mit Ansprüchen. In: DBZ Deutsche Briefmarken-Zeitung. Jg. 1986 / 4, 6, 7, 9, 10 (Artikel in fünf Teilen)

    Huylmans, Tobias: Memelgebiet – Handbuch der Stempel 1920–1925. Wiesbaden 2013.

    Lindeiner, Christoph v.: Die Verwendung von Briefmarken in Mark-Währung im Memelgebiet ab 16. April 1923. In: Lituania 31 (2009) S. 2–17. (Der Autor hat eine Fülle von Artikeln in verschiedenen Zeitschriften wie Lituania und HBG Het Baltische Gebied veröffentlicht.)

    Jusserand, Bernard: Les Français à Memel 1920 – 1923 Étude des tarifs postaux – Die Franzosen in Memel 1920–1923. Studie der Posttarife. In: Lituania 35 (2011)

    Ludwig, J. W. Heinz: Die Postmarken des Memelgebietes 1920 – 1925. Handbuch – Katalog. Neuss 2004. (das aktuellste und detaillierteste Handbuch seit den Veröffentlichungen des großen Memelspezialisten Ingenieur Ernst Becker)

    Marshall, Eugene R.: Litauen reißt die Kontrolle über das Memelgebiet an sich. In: Lituania 20 (2003) S. 1320-1333 (Teil I); Lituania 22 (2004) S. 1490-1492 (Teil 2) (Bericht eines Zeitgenossen, der als Journalist für eine amerikanische Zeitung berichtete; Sehr detaillierte Quelle mit vielen Daten)

    Žalis, Vytautas: Kova dėl identiteto. Kodėl Lietuvai nesiseke Klaipėdoje tarp 1923 – 1939 m. / Ringen um Identität. Warum Litauen zwischen 1923 und 1939 im Memelgebiet keinen Erfolg hatte. Lüneburg 1993. (Litauisch/deutsch; sehr kritische detaillierte Untersuchung über das Verhältnis von „Groß“- und „Kleinlitauen“)


    Webs

    https://de.wikipedia.org/wiki/Memelland
    https://www.huylmans.de
  • Sowjetische Besetzung

  • Deutsche Besetzung / Ostland

  • Lagerpost / Litauer im Exil

  • Unabhängige Republik Litauen

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