Litauen

  • Königlich polnische Post

  • Kaiserlich russische Post

  • Deutsche Besetzung / Ob. Ost

    Litauen in den heutigen Grenzen gehörte vor Beginn des Ersten Weltkrieges überwiegend zu Russland und bestand dabei aus mehr oder weniger großen Teilen der zaristischen Gouvernements von Kaunas (Kowno), Vilnius (Wilna), Suwalki und einem schmalen Streifen im Norden des Gouvernements Hrodna (Grodno).

    Neben der 8. Armee (Kurland und nördliches Litauen) und der 10. Armee (um Wilna, das am 18.9.1915 unter General von Eichhorn besetzt wurde), befand sich außerdem seit 8.5.1915 die Armee-Abteilung Scholtz im Raum um Dünaburg (Daugapils) mit Sitz des Hauptquartieres in Uzjany (Utena), wo sie auch nach der Umbenennung in Armee-Abteilung D bis zum 18.2.1918 verblieb. Im Süden Litauens – mehr auf dem heute belarussischen Gebiet – sicherte die 12. Armee und im weiteren Verlauf die Armee-Abteilung Woyrsch die russische Westfront ab.

    Das heute litauische Gebiet war also bereits Ende 1915 weitgehend von deutschen Truppen besetzt und Teil des Verwaltungsgebiets des Oberbefehlshabers Ost der deutschen Armee geworden.

    Karte des Frontverlaufs 2015

    Karte des Frontverlaufs 2015 in Litauen

    Quelle: Piekalkiewicz, Janusz 1994: Der erste Weltkrieg. Augsburg. Seite 484.

    Der russische Zar Nikolaus II. dankte am 15. März 1917 ab, der ehemalige russische Justizminister Alexander Kerenski wurde zum Kriegsminister ernannt. Die Kerenski-Offensive im Juli 1917 an der russischen Südwestfront scheiterte und verzögerte die Bemühungen der Bolschewiken. Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen mit den Mittelmächten (Deutsches Reich, Österreich–Ungarn und weitere Verbündete) aufzunehmen.

    Nach der russischen Oktoberrevolution (25.10.1917 nach dem julianischen bzw. 7.11.1917 nach dem gregorianischen Kalender) drängte die Taryba (der litauische Staatsrat) auf die Wiederherstellung des unabhängigen Staates Litauen. Die Unabhängigkeitsbestrebungen Litauens durch die Taryba wurden am 11. Dez. 1917 bzw. am 16. Februar 1918 (dies ist noch heute der nationale Feiertag Litauens) in einer Gründungsakte (Unabhängigkeitserklärung) signiert. Auswirkungen auf die weiteren Postamts-Eröffnungen im Gebiet Ober Ost hatte dies aber nicht.

    Am 15.12.1917 wurde mit Gültigkeit ab 17.12.1917 (nach julianischem Kalender 4.12.1917) um 14 Uhr zwischen den Mittelmächten und der Sowjetregierung ein Waffenstillstand geschlossen. Am 19.02.1918 – nach gescheiterten Friedensverhandlungen mit den Bolschewiken – befahl die Oberste Heeresleitung des Deutschen Reichs den weiteren Vormarsch. Die deutschen Truppen drangen sehr schnell nach Norden (Livland und Estland) und nach Osten (Richtung Minsk) vor. Dies ermöglichte es der deutschen Besatzungsmacht im dünnbesiedelten und seenreichen Gebiet im östlichen Litauen und nördlich von Wilna (Vilnius), weitere Landespostämter im Bereich des Oberbefehlshabers Ost zu eröffnen.


    Postgebiet Ober Ost im Bereich des heutigen Litauen

    Hinweis: die nachfolgenden Ortsbezeichnungen sind in Gebieten mit überwiegend polnischer Bevölkerung polnisch (deutsch / litauisch) dargestellt, sonst deutsch (litauisch).

    Die ersten Landespostämter in Litauen wurden am 15. Januar 1916 in Kielmy (Kelm / Kelmė), Kowno (Kauen / Kaunas), Olita (Alitten / Alytus), Poniewiez (Ponewiesch / Panevežys), Schaulen (Šiauliai), Wilno (Wilna / Vilnius) und Wylkowyszki (Wilkowischken / Vilkaviškis) eröffnet.

    Eine Besonderheit ergibt sich bei dem ebenfalls am 15.01.1916 eröffneten Postamt Kielmy (Kelm / Kelmė). Im Ort Kielmy besorgte die vorhandene Feldpostanstalt Nr. 170 den Post- und Telegrammverkehr der Bevölkerung mit. Als Schließungstag ist der 19.10.1916 genannt; das Feldpostamt war nach Skaudwile (Skaudvile) verlegt worden, teilte am 2.11.1916 das Amtsblatt des Reichs-Postamts in Berlin mit. Briefe und Postkarten aus diesem Postort sind selten.


    Die namentliche Herstellung der deutschen Stahlstempel für die litauischen Postorte orientierte sich häufig sehr stark an der polnischen Schreibweise. Das rührt auch von den mehrheitlich polnisch bewohnten Gebieten um Wilna her.

    Bei dem Postort Wylkowyszki tauschte man den Poststempel noch im selben Jahr (1916) aus:

    erster Stempel Wylkowyszki

    Bei Eröffnung des Postamtes lag der Stahlstempel nur in der polnischen Schreibweise des Ortes "Wylkowyszki" vor.

    neuer Stempel Wylkowyszki

    Ab 2. Oktober 1916 wurde ein neuer Poststempel verwendet, jetzt in deutscher Schreibweise: "Wilkowischki"

    Brief mit Stempel Schaulen 1918

    Bedarfsbrief mit Briefumschlag der Wloclaweker Sulfit-Cellulose-Fabrik, Wloclawek, seinerzeit Generalgouvernement Warschau, mit Tagesstempel von Schaulen a vom 6.1.18 nach Wilna. Zensur der Postüberwachungsstelle Schaulen (Sn). In Wilna zugestellt von der Wilnaer Bürgerpost, die dafür 10 Pf. Bestellgeld kassierte.


    Postüberwachungsstellen auf litauischem Territorium für den innerhalb des Postgebietes Oberbefehlshaber Ost zirkulierten Postverkehr gab es in Kowno, Schaulen und Wilna.


    Bereits am 20. April 1916 folgten zur Befriedigung des zivilen Postverkehrs drei weitere Postamt-Eröffnungen in Kalwaria (Kalvarien / Kalvarija), Mariampol (Mariampol / Marijampolė) und Wladyslawowo (Wladislawow / Vladislavovas).

    Am 1. Juli 1916 erfolgten weitere Eröffnungen von Postämtern in Janow (Janovas), Raseinien (früher Rossienie / Raseiniai), Krottingen (Kretinga) und Telsze (Telsche(n) / Telšiai).

    Brief nach Kiejdany

    Hier ein Einschreibbrief aus Rossienie (Raseiniai) vom 12.2.1918 mit Zensur Schaulen (Sn) an das Friedensgericht Kiejdany (Kedahnen / Kedainiai), das als Postort erst ab 11.11.1918 geführt wird. Bis heute hat noch kein Beleg aus Kiejdany vorgelegen.

    Skaudwile (Skaudvile) war die letzte Postamt-Eröffnung im Jahre 1916 am 20. Oktober. Am Tag zuvor war das Feldpostamt in Kielmy (Kelmė) geschlossen und nach Skaudwile verlegt worden.

    Brief aus Skaudwile

    R–Brief vom 20.11.1917 aus Skaudwile an das Kriegsministerium in Berlin.


    Im Gegensatz zu den Gouvernements Estland, Livland und Kurland ist ein Bankenpostverkehr auf litauischem Gebiet nur in sehr begrenztem Umfang vorhanden, hauptsächlich auf Post aus Kowno (Kaunas) und Wilna (Vilnius).


    Vereinzelt kommen auch Bankbelege aus Mariampol (Mariampolė), Schaulen (Šiauliai) und Skaudwile (Skaudvile) vor.

    Seit Beginn des Jahres 1917 findet man zahlreiche Bedarfspost an die Deutsche Bank mit Filiale im heute lettischen Libau (Liepāja).



    Der Brief aus Skaudwile vom 29.07.1918 wurde zunächst in der Postüberwachungsstelle Schaulen (Sn) zensiert, bevor er nach Libau weiterbefördert wurde.


    Mit dem deutschen Vormarsch ab Februar 1918 nach Norden und Osten wurden weitere Landespostämter eröffnet.

    Wilkomierz (Wilkomir / Ukmergė) erhielt am 1.3.1918 ein Feldpostamt, das auch den zivilen Postverkehr der Bevölkerung mit erledigte und Swenzjany (Švencionys) erhielt am 1.8.1918 eine Postagentur, die auch den Postverkehr für die in und um Swenzjany befindlichen militärischen Behörden und Truppenteile wahrnahm.

    Auch in Georgenburg (Jurbarkas), nur wenige Kilometer östlich von der Grenze zur Oblast Kaliningrad gelegen, wurde am 10.9.1918 eine Postagentur eröffnet.

    Von den am 11.11.1918 eröffneten Postorten gehören die hier gezeigten Stempelabschläge auf der Drucksache von Rakischki (Rokiskis), Einschreibbrief von Uzjany (Utena) und dem Briefstück und R-Zettel von Radziwilischki (Radviliškis) zu den wenigen existierenden "postalischen Zeitzeugen".

    Aufgrund völlig unzureichenden Belegmaterials ist die tatsächliche Postamt-Eröffnung nicht bei allen Postorten garantiert.

    Selbst die philatelistischen Experten von vor fast 100 Jahren (Gundlach, Noske und Zirkenbach) waren sich über die Existenz insbesondere der Postämter von Janischki, Kiejdany und Szczuczyn nicht einig.


    Eine Besonderheit mit dem regionalen Hinweis auf Litauen ist der Stempel der Stadt Szczuczyn (Schtschutschyn / Šukynas) / Litauen (nicht zu verwechseln mit dem heutigen Postort Sczuczyn in Polen).

    Die hier gezeigten Stempelabschläge stammen beide von Mustern, die nach der Stempelherstellung zur Kontrolle auf weißem Papier abgeschlagen wurden.

    Der Gedanke liegt nahe, dass zunächst der falsch entworfene Stempel "Syczuczyn / (Litauen)" (links) vorgelegen hat. Der korrigierte Stempel "Szczuczyn / (Litauen)" (rechts) mit einem Datum nach Schließung der Ober-Ost-Postämter ist sicherlich nur ein Probeabschlag (vermutlich der Fa. Gleichmann, Berlin) – auf Post wurde er bisher noch nie gesehen.

    Echt gelaufene Belege aus Szczuczyn (und damit Nachweise einer tatsächlichen Stempelverwendung) liegen bislang nicht vor.


    Die Einstellung des Postbetriebes im Postgebiet Ober Ost auf litauischem Territorium vollzog sich sukzessive zwischen dem 9.12.1918 und zuletzt in Kowno (Kaunas) am 31.12.1918. Der dortige Vorsteher Gundlach blieb noch zu Abrechnungszwecken bis zum 4. Januar 1919 in Kowno.


    Eröffnungen der Postämter im Postgebiet Ober Ost / Litauen

    1916


    15.01.1916

    Kielmy (Schließung und Verlegung nach Skaudwile am 19.10.1916)

     

    Kowno

     

    Olita

     

    Poniewiez

     

    Schaulen

     

    Wilno

     

    Wylkowyszki (ab 2.10.1916 neuer Poststempel "Wilkowischki")


    20.04.1916

    Kalwaria

     

    Mariampol

     

    Władysławowo


    01.07.1916

    Janow

     

    Raseinien

     

    Telsze


    20.10.1916

    Skaudwile

    1918


    01.03.1918

    Wilkomierz (Feldpostamt mit ziviler Postabfertigung)


    01.08.1918

    Swenzjany (Postagentur mit militärischer Postabfertigung)


    10.09.1918

    Georgenburg


    11.11.1918

    Rakischki

     

    Janischki (Eröffnung strittig)

     

    Kiejdany (Eröffnung strittig)

     

    Radziwilischki

     

    Szczuczyn (Eröffnung strittig)

     

    Uzjany



    NB.! Postsendungen aus den 1918 in Litauen eröffneten Landespostämtern gehören zu den Raritäten des Postgebietes "Oberbefehlshaber Ost"!


    Schließungen der Postämter

    9. bis 31.12.1918 (Kaunas, Abrechnung dort bis 4.1.1919)


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