Estland

  • Königlich schwedische Post

  • Kaiserlich russische Post

  • Deutsche Besetzung / Ob. Ost

  • Unabhängige Republik Estland

  • Sowjetische Besetzung

  • Deutsche Besetzung / Ostland

  • Lagerpost / Esten im Exil

    DP Camps

    Mit dem Vormarsch der Sowjetarmee nach Westen entschlossen sich 1944 zahlreiche Esten zur Flucht. Zeitgleich mit der Räumung des Generalkommissariats Ostland zog die Mehrzahl von ihnen zunächst in das Deutsche Reich, wo sie nach dessen Kapitulation am 8. Mai 1945 versuchten, unter dem Schutz der Westalliierten interniert zu werden. Ähnliches galt für Letten und Litauer.

    Schon vor der Landung in der Normandie war den Alliierten bewusst, dass sie in Deutschland und den von ihm besetzten Gebieten viele Menschen aus aller Herren Länder vorfinden würden (man rechnete mit 11 Millionen Menschen). Das Supreme Headquarter, Allied Expeditionary Forces (SHAEF) beschloss, diese in Sammellagern zusammenzufassen und sie so bald wie möglich in ihre Heimatländer zurückzusenden (zu repatriieren). SHAEF bezog auch andere Organisationen in die Abwicklung dieser Maßnahmen ein, vor allem die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA), eine Abteilung der am 9.11.1943 gegründeten Vereinten Nationen, deren erste Teams im April 1945 im besetzten Deutschland eintrafen. Sie betreuten im Mai 1946 mit 279 Teams insgesamt 765.000 Personen in Sammellagern (siehe Grafik). Am 30.6.1947 stellte die UNRRA ihre Tätigkeit in Deutschland ein, ab da übernahm die International Refugee Organization (IRO) die Betreuung der heimatlosen Ausländer.

    In Deutschland wurden die Balten in Sammellagern für "Displaced Persons" (DP-Lagern) einquartiert. DPs waren im strengeren Sinne Menschen, die in Deutschland als Zwangsarbeiter tätig waren oder von den Deutschen mit Gewalt ins Reichsgebiet verschleppt worden waren. Im weiteren Sinne gehörten dazu aber auch Personen, die freiwillig im Reichsgebiet für die Deutschen gearbeitet hatten, bei der deutschen Wehrmacht gedient hatten oder vor den Russen aus den baltischen Staaten geflohen waren.

    Insgesamt gab es Hunderte von DP-Camps, siehe beispielsweise diese Liste oder die nebenstehende Grafik.

    Karte von DP-Camps

    DP-Lager in Deutschland

    (Quelle: Edward C. Crommelin, www.crommelin.org)

    Die in Deutschland gebliebenen Balten hatten an einer Repatriierung jedoch verständlicherweise wenig Interesse, solange die Sowjetunion die baltischen Staaten besetzt hielt.

    DP-Camp Würzburg

    DP-Camp Würzburg

    (Quelle: archiv.org.lv)

    Nach jahrelangem Aufenthalt in den DP-Lagern wurde den Flüchtligen klar, dass sie zumindest in absehbarer Zeit nicht in ihre angestammte Heimat zurückkehren würden. Da Deutschland durch den Krieg völlig verwüstet war, die deutsche Bevölkerung für die eigenen Flüchtlinge kaum Wohnraum und Arbeit hatte und die deutsche Wirtschaft zerstört war, war ein Verbleiben der DPs in Deutschland nicht möglich.

    Ab September 1946 wurde das Auswandern in ein anderes europäisches Land oder nach Übersee beworben; dies wurde 1947 noch verstärkt. Nach Untersuchung der Gesundheit (die besten Chancen hatten alleinstehende, arbeitsfähige männliche DPs) und Überprüfung der politischen Vergangenheit konnte eine Auswanderung stattfinden, meist über das Auswandererlager Ludwigsburg.

    Esten wanderten vor allem nach Schweden, in die Vereinigten Staaten von Amerika, nach Kanada und nach Australien aus. Kleinere Gruppen verblieben in Deutschland oder Dänemark usw.

    Nach der Gründung Israels 1948 konnten jüdische DPs auch dorthin auswandern, auch die USA liberalisierten vorübergehend ihre Einwanderungsbedingungen. Im Jahr 1949 erreichte die Auswanderung ihren Höhepunkt, als immerhin 260.000 DPs in eine neue Heimat vermittelt werden konnten.

    Ende 1945 gab es in den drei westlichen Besatungszonen ca. 1,7 Millionen DPs. Am 1.1.1947 lebten noch 270.000 Verschleppte in der Britischen Besatzungszone (BBZ). Die meisten davon waren Polen, Letten, Ukrainer und Esten. Fast alle befanden sich in Lagern. Ende 1947 waren es noch 108 Lager. Bis zum 01.03.1949 ging die Zahl der Verschleppten in Lagern der BBZ auf 142.000 zurück. Ende 1949 gab es noch 67 Lager.

    Am 1.7.1950 übernahmen die deutschen Bundesländer die Fürsorge für die in der Bundesrepublik gebliebenen 85.000 Verschleppten, die keine Aussicht auf Ansiedlung im Ausland hatten. Für weitere 113.000 Verschleppte, die noch auf Auswanderung hofften, sorgte die IRO zunächst bis zum 31.3.1951 und schließlich bis Ende 1951 weiter, als sie aufgelöst wurde.

    Das Bundesgesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer vom 25.4.1951 stellte die in der Bundesrepublik gebliebenen Verschleppten weitgehend den deutschen Flüchtlingen gleich. Nun hießen die Verschleppten „heimatlose Ausländer“.


    Quellen:
    – Webseite über DP-Camps, im Internet unter URL: www.dpcamps.org/dpcampseurope.html
    – Wikipedia zu DP-Lagern, im Internet unter URL: de.wikipedia.org/wiki/DP-Lager
    – Virtuelle Ausstellung über Camps in Deutschland für Flüchtlige aus den baltischen Staaten, im Internet unter URL: www.archiv.org.lv/baltic_dp_germany
    – Verzeichnis der deutschen DP-Camps im – von der UNESCO geförderten – Arolsen Archiv, im Internet unter URL: dpcampinventory.its-arolsen.org
    – Verzeichnis weltweiter DP Camps, im Internet unter URL: www.dpcamps.org


    Post zwischen DP-Camps, sonstige Inlandspost und Auslandspost

    Bis in die 1950er Jahre hinein genossen UNRRA, IRO und viele ausländische Hilfsorganisationen, welche die Verschleppten betreuten, für ihre Sendungen innerhalb Deutschlands Gebührenfreiheit.

    Nach Art. 71 I GA III der Genfer Konvention sind alle kriegführenden Parteien verpflichtet, die Post von Kriegsgefangenen (ausser Luftpost- und anderen Zuschlägen) gebührenfrei zu befördern. Dazu zählte neben der privaten Post der Kriegsgefangenen auch die Post nach außen in die Heimat sowie Post innerhalb der Lager. Die Alliierten waren deshalb verpflichtet, nach der Besetzung Deutschlands den Kriegsgefangenen in DP-Lagern die kostenlose Versendung (portofreie Post) aus den DP-Lagern zu ermöglichen. Dies galt auch für DPs, die keine Kriegsgefangene im engeren Sinne waren. In manchen Lagern wurde ein eigener Postdienst eingerichtet, der das Befördern (Einsammeln, Verteilen) der nach aussen gerichteten (oder von dort ankommenden) Postsendungen vornahm, und dafür i.A. eine Gebühr verlangte.

    Manchmal wurden von dieser "Postorganisation innerhalb des Lagers" auch eigene Briefmarken herausgegeben, mit denen dann die innerhalb des Lagers zu transportierenden Sendungen freigemacht werden mussten. Zu dieser "Lagerpost" im engeren Sinne unten mehr.

    Bezüglich der Post der Displaced Persons aus den Lagern heraus gab es Unterschiede zwischen den Besatzungszonen:

    * * *

    In der Britischen Besatzungszone genossen die DPs gemäß Verfügungen der Reichspostdirektionen Braunschweig, Düsseldorf, Hamburg und Hannover und entsprechenden britischen Anordnungen ab dem 20.10.1945 Portofreiheit für Briefe von DP Lager zu DP Lager, innerhalb der britischen Besatzungszone sowie ins Ausland (NB.: die Aufnahme des zivilen Postverkehrs aus Deutschland ins Ausland erfolgte erst am 1.4.1946!).

    Die Briefe wurden bis zum 4.5.1947 über die britische Feldpost (FPO) geschickt. Dazu waren Tarnabsender ohne Ortsangaben zu verwenden; diese Tarnabsender beinhalteten die Nummern der Assembly Centers (AC) und des Displaced Persons Assembly Centre Staff (DPACS, Verwaltung des DPAC), ab Juli 1947 auch DPACCS (Displaced Persons Assembly Centre Commanding Staff) genannt.

    Ab dem 5.5.1947 erfolgte keine Beförderung der Briefe der DPs mehr durch die britische Feldpost ins Ausland. Deshalb wurden ab diesem Datum keine Tarnadressen (wie die AC-Nummer, die Zensurstelle „800 Control Unit“ oder auch der Leitvermerk „BAOR via Gt. Britain“, BAOR = Britische Rheinarmee in Deutschland) mehr verwendet, sondern die offene Lageranschrift mit der Nummer des Assembly Centre, Ort, Strasse und Hausnummer.

    Ab jetzt bis zum 19.4.1949 hatte die Deutsche Post die Gebühren zu tragen, dann endete die portofreie Beförderung im Inland. Ins Ausland wurden einfache Briefsendungen bis zum 31.8.1949 portofrei befördert.

    Incoming Mail ins DP-Camp Geesthacht

    Incoming Mail ins DP-Camp Geesthacht, seit Juni 1947 nicht mehr an Tarnadressen, sondern an normale Postanschriften zu adressieren.

    Inlandsbrief aus Meerbeck

    Vom Lager Meerbeck wurde die DP-Post innerhalb der britischen Besatzungszone über die Lagerpoststelle an die Deutsche Post weitergegeben, ab dem 11.03.1946 über das Postamt Stadthagen, und ab dort auf zivilem Weg weiter mit der Deutschen Post. (Bildquelle: Internetanbieter)

    Die DPs mussten für die weitere postofreie Beförderung Umschläge verwenden, auf denen z.T. die Briefstempel ihrer Lager abgeschlagen waren, auf jeden Fall auch entweder ein Stempel rechts oben mit „Displaced Persons Mail Paid“, die in verschiedener Form (meist rechteckig) gestaltet waren oder teilweise auch mit Klebezettel (in Meerbeck) oder mit Schreibmaschine auf Klebezetteln (in Dortmund). In Meerbeck und Leese kommt auch der Ortsname im Stempel vor.

    Ab Februar 1949 wurde von der britischen Militärregierung der zweizeilige Stempel "Displaced Persons Mail Paid" eingeführt und dies auch von der Hauptverwaltung der Post in Frankfurt am 4.3.1949 veröffentlicht (für gewöhnliche Sendungen).

    Der größte Teil der Inlandsbriefe von DPs wurde jedoch mangels Wissen der Lagerkommandanten über die Portofreiheit der Inlandspost in der britischen Zone mit Marken freigemacht, d.h. die gebührenfreie Beförderung wurde eigentlich nur wenig genutzt. Deshalb gibt es auch kaum gelaufene Inlands-Bedarfspost.

    * * *

    In der Amerikanischen und der Französischen Besatzungszone sowie in Berlin gab es keine vergleichbaren Regelungen; hier musste In- und Auslandspost immer frankiert werden.

    Inlandsbrief aus Bad Cannstadt

    R-Postkarte P965 + Mi-Nr. 663-964 von Bad Cannstadt nach Augsburg 12.6.1947. Die im Sonderstempel beworbende 1. Deutsche Neubürger-Messe 1947 wurde von den und für die vielen DP-Campinsassen veranstaltet, die nicht auswandern, sondern in Deutschland bleiben wollten.

    Inlandsbrief aus Rottweil

    R-Brief von Rottweil nach Weilburg 14.6.1947. Da in der amerikanischen Zone alle Post zu frankieren war, konnte dies bei vorkommendem Markenmangel auch mit Barfrankatur erfolgen. Die Post in Rottweil hatte dafür einen Stempel für die Höhe der Frankatur und einen weiteren mit Tagesangabe.

    Inlandsbrief aus Dornstetten

    Brief aus dem DP-Lager in Dornstetten Kreis Freudenstadt (französische Zone) ins DP-Lager Geislingen (amerikanische Zone) mit amerikanischem Militärzensurvermerk in aufgebrauchtem Feldpostumschlag, frankiert mit den Mi-Nrn. 8, 2 und 1 der Gemeinschaftsausganben der französischen Zone

    Inlandsbrief aus Freiburg

    Postkarte von Freiburg ins DP-Lager Geislingen 5.5.1947, frankiert mit der am 1.5.47 verausgabten Mi-Nr. 8 der französischen Zone Baden und abgestempelt mit Sonderstempel der Baltischen Landes-Exportschau BIGA.

    * * *

    In der Sowjetischen Besatzungszone gab es keine DP Lager oder vergleichbare Einrichtungen.

    * * *


    Quellen:

    – Heinz K. Selig: Postverkehr der Displaced Persons 1945–1948, im Internet unter URL: www.schaumburgerpostgeschichte.de/Dokumente/DP_12_Blaetter.pdf (PDF-Dokument Format A4 hoch als Lesetext) und www.consilium-philatelicum.de/fileadmin/bilder/digitale_vortraege/displaced.pdf (PDF-Dokument eines Powerpoint-Vortrags)

    – Zusammentragung von DP-Campinformationen unter philatelistischen Gesichtspunkten im Web des verstorbenen Manfred Heber, im Internet unter URL: fuchs-online.com/Lagerpost.Info

    Literatur:

    – Wolfgang Strobel: Post der befreiten Zwangsarbeiter. Displaced Persons Mail Paid in Deutschland 1945–1949. 2001 (nur antiquarisch erhältlich).

    – J. Müller: Müller Briefmarkenkatalog Deutschland Spezial, 7. Aufl. 1957, mit Lagerpostmarken (nur antiquarisch erhältlich)

    – Villem Eichenthal: EESTI – Illustrierter Spezial-Katalog Estland, hrsg. von der Philatelic Specialists Society of Canada, 1962 (nur antiquarisch erhältlich)

    – Friedrich Wilhelm: Lagerpost / Displaced Persons / DP Camp, Band I und II, erhältlich unter: dp-camp.jimdofree.com


    Herausgabe von Lagerpostmarken

    Bis zur Übernahme durch die Flüchtlingsverwaltungen der deutschen Länder am 1. November 1951 stellten DP-Camps „exterritoriales“ Gebiet dar. Die Herausgabe von Lagermarken durch z.B. Pfadfinder oder Lager-Komitees bedurfte deshalb keiner deutschen Postgenehmigung, sondern nur einer Genehmigung der Alliierten (UNRRA bzw. IRO). Inschriften sind immer in englischer Sprache.

    Bekannt ist die Ausgabe von Lagerpostmarken an folgenden Orten mit estnischen, lettischen und/oder litauischen Bewohnern:

    Lagerpostmarke Altenstadt

    Altenstadt/Schongau, Mai 1946, Werbemarke zur baltischen DP-Ausstellung, Lagerpost vom 24.5.–16.6.1946

    Lagerpostmarke Kempten

    Kempten, 18.7.1948, Estnisches Sängerfest. Das Fest wurde wegen der Währungsreform und eines Versammlungsverbotes (Infektionsgefahr) erst am 26.9.1948 in Geislingen abgehalten, siehe Überdruck

    Lagerpostmarke Geislingen

    Estnische Lagerpost Geislingen, siehe Ausführungen unten

    Lagerpostmarke Augsburg

    Augsburg, August 1946, litauische Lagerpostmarken

    Hanau, 1.11.1947, Werbeausgabe mit Zuschlag anlässlich der Estnisch-Litauischen Briefmarkenausstellung 1.-3. November 1947 (Block und Einzelmarken)

    Lagerpostmarke Augsburg-Hochfeld

    Augsburg-Hochfeld, 15. Februar 1948, baltische Lagerpost bis 18. Juli 1948

    Lagerpostmarke Detmold

    Detmold 1946, Allgemeine Ausgabe mit Lilienwappen (Boy-Scout-Symbol) und litauischem Schützenkreuz, 20+80 Pfg. auch mit Aufdruck "Augsburg / 28.4.46" in rot als Gedenkmarke zum Treffen der Exil-Pfadfinder aus Estland, Lettland und Litauen

    Lagerpostmarke Seedorf

    Seedorf 1946, litauische Lagerpost. In ähnlicher Zeichnung auch mit Inschriften früherer Lager "Hassendorf" und "Montgomery" sowie mit Überdruck "Stade 1940–15.6.1947" verausgabt

    Lagerpostmarke Meerbeck

    Meerbeck, Lagerpostmarken vom 25. August 1947 "400-jähriges Jubiläum des ersten gedruckten litauischen Buches" mit zweizeiligem Überdruck "1918 – 16.2. – 1948 / Vokjetija" (Vokjetija = Deutschland) zum 30. Jahrestag der litauischen Unabhängigkeit

    Die Lagerpostmarken hatten außerhalb der Lager keine Frankaturkraft. Sie wurden jedoch häufig auf Briefen in das In- und Ausland als Gedenkvignetten neben gültigen Marken angebracht und bisweilen (vorschriftswidrig) auch mit abgestempelt.


    Der Briefmarkenverein BALTIA

    Vertreter der drei baltischen Staaten bildeten den Briefmarkenverein BALTIA (1946–1950), der unter anderem philatelistische Ausstellungen organisierte und die Herausgabe von Gedenkmarken dazu veranlasste. Er gab auch einen Briefmarkenkatalog über die Marken der Republiken Estland, Lettland und Litauen mit Memel 1918–1941 inklusive der sowjetischen und deutschen Besatzung heraus (siehe Literaturangaben).

    Postkarte zum Gedenken an das Exil 1944 – 1947

    Postkarte zum Gedenken an das Exil 1944 – 1947

    Im Vorstand des am 17. Juli 1946 in Augsburg gegründeten Vereins waren Aleksander Vahter (Estland, Vorsitzender), N.N. (Lettland) und Juozas Liubinskas sen. (Litauen) (beide Beisitzer) sowie August E. Pensa (Estland, Organisationsleiter) vertreten. 1948 hatte der Verein ca. 300 Mitglieder. Links ein Brief vom Jahrestreffen 1947, rechts eine Begleitpostkarte zu einer Paketsendung von A.E. Pensa an Villem Eichenthal, also von einem bekannten estnischen Philatelisten zum anderen.

    Postkarte mit Vignette 'Freedom for the Baltic States'

    Postkarte mit Vignette "Freedom for the Baltic States"


    Estnische Lagerpostmarken

    Die Esten wurden beispielsweise in Baden-Württemberg in Geislingen/Steige in von Deutschen zu räumende Siedlungen einquartiert, in Bayen in Lagern in Altenstadt/Schongau, Augsburg/Hochfeld, Kempten und Nürnberg-Langwasser, Dettendorf, Ingolstadt, Neuburg, Ulm oder Wielandshag/Freilassing, in Hessen in Wiesbaden und Hanau, in Niedersachsen in Leese und Oldenburg, in Schleswig-Holstein in Lübeck oder Schwarzenbek, in Baden-Württemberg in Müllheim und Freiburg, In Rheinland-Pfalz in Kaiserslautern, um nur einige zu nennen. Insgesamt waren Esten in über 150 Camps untergebracht.


    Die estnische Lagerpost in Geislingen/Steige

    Stellvertretend für die estnische Lagerpost in Deutschland wird hier aus dem Buch "Stille, Bernhard 1994: Vom Baltikum ins Schwabenland. Estenlager und Ausquartiertenschicksal in Geislingen 1945–1950. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Geislingen/Steige Band II. Weißenhorn: Konrad-Verlag." zitiert (Text und Abbildungen mit freundlicher Genehmigung des Verlags):

    Stadtplan Geislingen 1945

    Wohngebiete und Gebäude in Geislingen, die von den Esten belegt wurden auf einem im Jahr 1945 (!) zweifarbig gedrucktem Geislinger Stadtplan.

    Postbote Estenpost 1945

    Der estnische Postbote brachte die Briefe in die verschiedenen Lagerstadtteile.

    Da einerseits die drei Stadtteile Schloßhalde, Wilhelmshöhe und Rappenäcker weit auseinanderlagen, andererseits den Geislinger Postboten das Betreten des Estenlagers verboten war, richtete die UNRRA-Lagerverwaltung ein eigenes Lagerpostamt ein, das mit der deutschen Post der Stadt Geislingen zusammenarbeitete. Die gesamte sogenannte Estenpost wurde mit dem Postwagen vom deutschen Postamt zum estnischen Postamt gebracht und dort von den Lagereinwohnern persönlich abgeholt, später durch Briefträger den Empfängern zugestellt. Pakete mussten die Esten während der ganzen Lagerzeit immer persönlich abholen.

    Anfänglich, als der Postverkehr mit dem Ausland noch nicht zugelassen war, reichten einige von der UNRRA bedienstete Postbeamte aus, die ein- und ausgehende Post zu bewältigen. Als jedoch in den Jahren 1946/47 der internationale Postverkehr freigegeben wurde und die von den Auslandsesten in USA und Schweden abgesandten Pakete in größeren Mengen eintrafen, musste die estnische Lagerverwaltung weitere Postbeamte einstellen. Diese wurden aber von der UNRRA nicht mehr entlohnt. Deshalb musste die Estenpost sich neue Einnahmequellen schaffen. So kam es, dass die estnische Lagerverwaltung sich mit Genehmigung der UNRRA zur Ausgabe eigener Lagerpostmarken entschloss.

    Die Marken waren von dem Esten Aleksander Daniel entworfen und erschienen am 4. November 1947. Sie zeigten ein von zwei Wölfen gejagtes Pferd, eine symbolische Darstellung der von den Russen verfolgten Esten. Die Bezeichnung der Marken: ESTONIAN National Assembly Center Geislingen/Stg., zu deutsch: ESTNISCHES nationales Sammellager Geislingen/Steige, daneben das estnische Staatswappen, die drei Leoparden im Brustschild.

    Die Marken wurden ohne Wertangaben in den Farben grün, rosa und rot gedruckt. Die grünen wurden für 10 Pfennige verkauft und dienten zur Frankatur von Postkarten, Briefen und Drucksachen für die Post innerhalb des Lagers. Die rosa Marken wurden zu 25 Pfennigen verkauft und dienten zur Einziehung von Strafporto. Dies war die Tagesgebühr für liegengebliebene Pakete. Da man keinen Raum hatte, die in Mengen eintreffenden Pakete zu lagern, andererseits auch kein Fahrzeug, um diese zuzustellen, war man darauf angewiesen, dass die Empfänger die Pakete möglichst rasch abholten. Dem dienten auch die roten Marken, die zur Deckung von vier Tagen Lagergebühr verkauft wurden und 1 Mark kosteten. Ihre Auflage war sehr gering.

    Zur Entwertung der Marken hatte man sich beim Geislinger Postamt einen Rundstempel mit dreizeiligem regulierbarem Datum ohne Ortsangabe ausgeliehen.

    Lagermarken Geislingen 1947

    Die estnischen Lagerpostmarken dienten zur Freimachung von Briefen innerhalb des Lagers sowie zur Erhebung von Strafporto für liegengebliebene Pakete.

    Briefstück Geislingen 1948

    Ganz selten ist die Kombination einer estnischen Lagerbriefmarke mit einer Marke der Deutschen Post, da die Lagermarken normalerweise nur innerhalb des Lagers Verwendung fanden.

    Der komplette Dreiwertesatz ist wegen der kleinen Auflage sehr selten. Noch seltener sind echt gelaufene Ganzsachen, die ja nur mit den grünen Marken frankiert werden konnten. Die meisten Briefumschläge wurden aber von der überwiegenden Mehrzahl der damaligen Lagerbewohner achtlos weggeworfen, da sie für viele wertlos waren.

    Außerdem galten die Marken der Estenpost nur innerhalb des Lagers; * für Post nach anderen deutschen Orten oder ins Ausland musste man die Marken der amerikanischen Besatzungszone / Deutsche Post kleben. Es kam nur ganz selten vor, dass eine Estenmarke neben einer der Deutschen Post vom Geislinger Postbeamten gestempelt wurde, weil der Absender der irrtümlichen Meinung war, er müsse sowohl mit der estnischen als auch mit der deutschen Marke frankieren.

    Als am 24. Juni 1950 das estnische Sammellager aufgelöst wurde, hörte auch die Estenpost auf. Die Restbestände der grünen Lagermarken wurden zwischen den damaligen Postbeamten und anderen Interessenten verteilt; die rosa und roten Marken waren restlos aufgebraucht. Der Stempel wurde dem deutschen Postamt zurückgegeben. So endete ein eigentümliches Kapitel des Geislinger Postwesens.

    * * *


    * Harald Vogt berichtet in seinem Artikel "Estland – 1944 – 1991" in "Eesti Post Nr. 33/2001" , dass die Lagerpostmarken (zumindest in anderen Lagern) auch als Zuschlagsporto für einkommende Express-Briefe und Telegramme sowie als Zuschlagsporto für ausgehende Geldüberweisungen verwendet wurden.

    Quellen:
    – Ernits, Erich 1948: 3 aastat Geislingenis (3 Jahre in Geislingen). Göppingen. Druck: Gebr. Bott. Auch im Internet unter URL: www.digar.ee/viewer/et/nlib-digar:269143/249071/page/1.
    – Stille, Bernhard 1994: Vom Baltikum ins Schwabenland. Estenlager und Ausquartiertenschicksal in Geislingen 1945–1950. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Geislingen/Steige Band II. Weißenhorn: Konrad-Verlag.

    Weiterführende Informationen:
    – Kromm, Max & Vogt, Harald 2000: Estland. Sie blieben Esten auch im Ausland der Heimat verbunden nach Flucht und Exil ab 1944/45. Philatelistische Zeugnisse. Heide: Paul von Sengbusch Verlag.
    – Goeze, Dorothee M. 2011, Der Alltag estnischer Displaced Persons. Die Sammlung Hintzer im Herder-Institut Marburg. In: Õpetatud Eesti Seltsi Aastaraamat / Annales Litterarum Societatis Esthonicae 2010 (S. 173-201). Tartu. Auch im Internet unter URL: www.ut.ee/OES/wp-content/uploads/Goeze4.pdf
    – Tõnismäe, Signe 2015: Estonian displaced persons in post-war Germany. Master's thesis. University of Tartu, EuroCollege, European Studies, im Internet unter URL: mobile.dspace.ut.ee/bitstream/handle/10062/46905/Tonismae_Signe%20_2015.pdf


    Esten im Exil

    Im Exil wurden Veranstaltungen wie Sängerfeste und Pfadfindertreffen durchgeführt und häufig auch Organisationen etabliert, die sich um die Aufrechterhaltung der Heimatkultur kümmerten. Philatelistische Vereinigungen wurden gegründet, die natürlich keine Postwertzeichen herausgeben konnten, aber Vignetten, Schmuckumschläge, Nebenstempel oder auch Stempel der offiziellen Postverwaltungen mit Motiven aus der estnischen Kultur veranlassten. Sie produzierten auch Publikationen, veranstalteten Ausstellungen, feierten Jubiläen und anderes mehr.

    Besonders zu nennen sind:

    EFÜR – Eesti Filatelistide Ühing Rootsis (Estnische Philatelistische Vereinigung in Schweden)
    EPS–NY – Estonian Philatelic Society in New York (Estnische Philatelistische Vereinigung in New York)
    Eestin Keräilijät – Estnischer Sammlerverein in Finnland
    und Gruppierungen in Kanada und Australien.


    Beleg zum 75. Jubiläum der Estnischen Nationalflagge 'Eesti Lipp', die am 4. Juni 1884 erstmals in Otepää in den Farben blau (wie der Himmel) - schwarz (wie die Stiefel der Bauern) - weiß (wie der Schnee) wehte.

    Absender und Produzent der Vignette ist die Estnische Philatelistische Gesellschaft in New York.

    Beleg 1959 von New York nach München

    Beleg von der Estnischen Philatelistischen Gesellschaft in den Vereinigten Staaten, die sich regelmäßig im Estnischen Haus in New York traf, an den in Petrograd geborenen, in München als Apotheker tätigen Esten Georg Kuik.

    Beleg 1963 von Paterson / N.Y. nach Heidelberg

    Brief von August E. Pensa, Mitglied (und 1953–1966 Vorsitzender) der Estnischen Philatelistischen Gesellschaft in den Vereinigten Staa­ten und Herausgeber der "Marginalien der Estnischen Philatelistischen Gesellschaft" (1959-1960) an den estnischen Historiker Arnold H. Joonson beim (heute nicht mehr existierenden) sprachwissenschaftlichen Verlag "Võitleja" (= Kämpfer) in Heidelberg.


    Beleg zum 100. Jubikäum eines der ersten est­ni­schen Sän­ger­fes­te im Jahr 1863 in der Dorf­ge­mein­de Anseküla auf der Halbinsel Sõr­ve (Insel Saaremaa).

    Produzent des Aufdrucks ist ebenfalls die Estnische Philatelistische Gesellschaft in New York.


    Beleg zum 10- jährigen Be­ste­hen der 1954 in Stock­holm ge­grün­de­ten Est­ni­schen Phila­te­lis­ti­schen Ge­sell­schaft in Schwe­den "EFÜR", die dieses Jubiläum mit einer Brief­mar­ken­aus­stel­lungswoche (22. – 29. No­vem­ber 1964) feierte.

    Beleg 1964 von Stockholm nach East Cannington / Australien

    Brief des aus Estland nach Schweden ausgewanderten Sammlers Harry A. Malm von der Briefmarkenausstellung in Stockholm an den aus Valga stammenden, 1949 über Italien nach Australien ausgewanderten Paul-Sigfrid Lanno.

    Messsebeleg 1979 von der 'Baltpex VI' in Toronto

    Messebeleg mit Einladungs-Werbestempel für die Ausstellung vom 7.–8. April 1979 in Toronto, einem Schmuck-Zudruck und einem runden Messestempel.


    Messebeleg der "Baltpex 6". Die Baltpex war eine Briefmarken­aus­stellung, welche die gesamte The­ma­tik der Phi­la­te­lie Est­lands, Lett­lands und Li­tau­ens abbildete und an wechselnden Standorten, aber häufig in Toronto stattfand.

  • Unabhängige Republik Estland

  • Privatpost in Estland